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Im Garten von. . . Wangelin

Der Wangeliner Garten in Mecklenburg-Vorpommern ist ein ungewöhnlicher Ort. Auf dem 15 000 Quadratmeter großen Areal treffen Kräutergarten, Bauerngarten, Zauberpflanzen, Bionik und ein überdimensionaler Maulwurfshügel zusammen. Mehr als 900 Pflanzenarten wachsen hier, und wer genau hinschaut, kann auch noch Tingeltangel-Bob entdecken.

Der Blauregen hat den Pavillon am hinteren Ende der Streuobstwiese voll im Griff. Zweige, Blätter und die samtig-grünen Schoten hüllen das Gerüst fast vollständig ein, nur die vordere Seite liegt frei. Ein paar Stühle und ein Tisch laden zum Päuschen ein.

von Blauregen überrankter Pavillon
Ein kühles Plätzchen und ein toller Ausblick: Mehr braucht man nicht fürs kleine Glück an heißen Sommertagen.

Unter diesem Blätterdach sitzt Beate Neumerkel besonders gerne und genießt den Blick auf den Naturteich, die blühende Goldrute und die Streuobstwiese. „Das ist ein kühler und geschützter Ort, der gerade bei sommerlicher Hitze wunderbare Ruhe bietet“, sagt sie. Seit dreieinhalb Jahren leitet die Berliner Architektin den Wangeliner Garten, der in den 90er-Jahren seinen Anfang fand.

Beate Neumerkel am Pavillon
Im September ist Schluss. Dann verlässt Beate Neumerkel den Wangeliner Garten, um nach Berlin in die Denkmalpflege zurückzukehren.

Der Garten ist ein Kind der Wende und zugleich ein Kind des FAL e.V. – einem Verein mit dem sperrigen Namen „Verein zur Förderung ökologisch-ökonomisch angemessener Lebensverhältnisse westlich des Plauer Sees e. V.“  Ziel des Vereins war es, den Menschen nach der Wende eine Perspektive zu bieten und die Region nachhaltig zu stärken und zukunftsfähig zu machen. Mit ABM-Kräften startete die Gestaltung des Gartens. Bäume wurden gepflanzt und Beete angelegt.

Hummel in weißer Stockrosenblüte
An vielen Stellen im Garten finden sich Stockrosen. Besonders Hummeln tummeln sich gerne in ihnen und fliegen dann pollenummantelt weiter.

Früher war das Gebiet Ackerland. Einige Kilometer weiter befand sich ein Truppenübungsplatz, auf dem auch ein alter Bunker stand. Dessen Überrest wurden in den Wangeliner Garten gebracht und dort kreativ umfunktioniert. Von einer Schicht Erde überlagert bildet er nun einen begehbaren Maulwurfshügel (siehe Titelbild) mit einem Spielplatz oben drauf. Neben dem Maulwurfshügel erstreckt sich das Weidenlabyrinth, das Dschungel-Feeling aufkommen lässt – besonders, wenn eine Ringelnatter den Weg kreuzt.

Blick in einen Weidentunnel
Links, rechts, geradeaus? Egal! Viele Wege führen aus dem Irrgarten auch wieder heraus.

Wer am Weidenlabyrinth vorbeigeht, läuft direkt auf das Veranstaltungsgebäude und den Eingang zum Herzstück des Gartens zu. Das beherbergt den größten Kräutergarten in Mecklenburg-Vorpommern. Außerdem gibt es hier einen norddeutschen Bauerngarten, einen Schmetterlingsgarten und einen Duftgarten. Dazu Bereiche mit Zauberpflanzen, Trickpflanzen, historischen Nutzpflanzen und ein Beet, das nach der berühmten Ländergüterverordnung „Capitulare de villis“ angelegt worden ist.

Bärbel Eisenblätter hat erst in dieser Saison im Wangeliner Garten angefangen. Sie koordiniert die gärtnerische Arbeit. Gründe hier zu sein hat die Biologin viele: Die riesige Palette an Heilpflanzen begeistert sie genauso wie die gelebte Nachhaltigkeit des gesamten Projekts. Es wird rein ökologisch gegärtnert, ohne Pestizide und mit Laufenten als Schnecken-Schreck. Die Gebäude bestehen größtenteils aus Lehm und Stroh. Außerdem ist der Garten eine wunderbare Spielwiese für Bärbel Eisenblätters Gemüse-Experimente. Hier werden bekannte, aber auch lang vergessene oder eher unbekannte Gemüsesorten auf ihre Tauglichkeit getestet. Wie kommen sie mit dem Boden zurecht und wie mit dem – besonders in diesem Jahr – herausfordernden Klima? Alles was den Geschmackstest besteht, wird im Gartencafé eingesetzt.

Bärbel Eisenblätter hinter einem blühenden Beet
Bevor sie im Wangeliner Garten angefangen hat, war Bärbel Eisenblätter in der Umweltbildung aktiv.

Ihr Lieblingsplatz ist die Bank im Schmetterlingsgarten mit einem tollen Überblick über blütenreiche Stauden wie Phlox, Dost oder Blutweiderich. Tag- und Nachtfalter finden hier ein üppiges Büffet. Nicht nur das Tagpfauenauge, der Admiral und der Kohlweißling flattern von Blüte zu Blüte, sondern auch ungewöhnliche Falter wie das Taubenschwänzchen, das an einen zu klein geratenen, nicht besonders hübschen Kolibri erinnert. Im Fliegen fährt der tagaktive Nachtfalter den zentimeterlangen Rüssel aus, um Nektar aus den Blüten zu holen.

Mit etwa achtzig Flügelschlägen pro Sekunde hält sich das Taubenschwänzchen wie ein Kolibri in der Luft und saugt dabei mit seinem zentimeterlangen Rüssel den Nektar aus den Blüten.

Jetzt, Mitte August, ist schon viel abgeerntet im Bauerngarten. Vor wenigen Tagen hat Bärbel Eisenblätter jedoch nachgesät. Salate, speziell Asia-Salate wie Mizuna, keimen momentan schon nach wenigen Tagen. Reichlich Nachschub ist wichtig im Bauerngarten, denn die Ernte wird gleich im angeschlossenen Café serviert. Eine wichtige Einnahmequelle für den Wangeliner Garten, der keine institutionelle Hilfe bekommt, sondern sich neben Projektgeldern und der Unterstützung durch den FAL e.V. selber tragen soll.

Außerdem bietet der Wangeliner Garten Übernachtungsmöglichkeiten. Ökologisch umgebaute Bauwagen und fünf Hobbit-Haus-ähnliche Ferienwohnungen aus Stroh und Lehm bringen zusätzliche Einkünfte, genauso wie zahlreiche Seminare, Workshops, Führungen, Lesungen und sonstige Lehrveranstaltungen.

Ferienwohnungen im Wangeliner Garten
Gebaut aus Stroh und Lehm: Ferienwohnungen im Wangeliner Garten.

Zu lernen gibt es in dem Garten nämlich eine ganze Menge, zum Beispiel über historische Nutzpflanzen wie die Färberpflanzen. Die Färberhülse wurde beispielsweise zur Gewinnung von Indigoblau für Kleidungsstücke genutzt, die Wurzeln vom Färberkrapp lieferten einen roten Farbstoff. Genauso wir der Färberamaranth, der Tingeltangel-Bob im Nutzpflanzenbeet.

Terracottatopf mit blauer Wolle im Färberhülsenstrauch
Dekorativ in Terracottatöpfen steckt eingefärbte Wolle, die die Färbekraft der einzelnen Pflanzen zeigt.
Färberamaranth
Die Frauen der Hopi-Indianer nutzen den Färberamaranth, um ihre Maisbrote zu färben.

Den Färberpflanzen gegenüber stehen die meist giftigen Zauberpflanzen. Zu ihnen gehören Pflanzen wie die Nachtschattengewächse Tomate und Paprika, aber auch Pflanzen wie Giftbeere, Hanf, Hopfen, Benediktenkraut, Meerträubel und Stechapfel.

Stechapfel
Früher wurde der Stechapfel gegen Nervosität und Asthma genutzt, heute wird er wegen seiner starken Giftigkeit, wenn überhaupt, nur noch in der Homöopathie verwendet.

„Einige dieser Pflanzen haben eine berauschende oder bewusstseinserweiternde Wirkung und werden oft nur in homöopathischen Dosen genutzt“, erklärt Beate Neumerkel, bevor sie sich den Bionik- und Trickpflanzen zuwendet. Bionik ist der Versuch, technische Lösungen nach dem Vorbild der Natur zu finden. „Die Klette beispielsweise diente als Vorlage für den ersten Klettverschluss und die Mohnkapsel als Ideengeber für den Salzstreuer“, erzählt sie.

Mohn ist im Wangeliner Garten in diesem Jahr auch in Übergröße zu finden: in Stahl und in Holz. Zwei der Werke, die der Prignitzer Künstler Jost Löber hier ausstellt.

drei riesige stählerne Mohnblumen
Mitten im Wangeliner Garten ragt Jost Löbers „Kleines Mohnfeld“ in den Himmel.

Das „Kleine Mohnfeld“ steht mitten im Bereich der Heilpflanzen, die den Bärenanteil des Kerngartens für sich beanspruchen. Aufgeteilt nach Wirkungsfeldern wie Herz und Kreislauf, Luftwege und Augen wachsen hier in dreizehn Beeten traditionelle Heilpflanzen genauso wie Pflanzen, die auch heute zu Heilzwecken verwendet werden.

Nachtschatten mit Blüten und Früchten
Früher wurde der Nachtschatten als Mittel gegen Rheuma und Gicht verwendet, heute nutzt man ihn aufgrund seiner Giftigkeit nicht mehr.
Frauenmantel
Frauenmantel wird auch heute noch in der Medizin eingesetzt. Er hilft bei Magen-Darm-Beschwerden und ist sehr wohltuend für Frauen.

Hinter dem Bereich mit den Heilkräutern geht es geschichtlich weiter. Die Weizenevolutionsreihe zeigt den Werdegang des Weizens vom Wildgras zum Hochertragsgetreide, und auf den „Capitulare de villis“-Rabatten wachsen die Pflanzen nach dem Willen von Karl dem Großen. Was es damit auf sich hat, wie Trockenmauern die Artenvielfalt fördern und warum Lehm ein ausgezeichneter Baustoff ist: Über all das und über unzählige weitere Themen und Projekte, die der Garten zu bieten hat, könnten Beate Neumerkel und Bärbel Eisenblätter noch viel erzählen, wenn auf dieser Spielwiese der gärtnerischen Möglichkeiten nicht so viel anderes noch zu tun wäre.

Kontakt und Öffnungszeiten:

Wangeliner Garten
Nachtkoppelweg
19395 Ganzlin OT Wangelin

Telefon: 038737/499878
www.wangeliner-garten.de
info@wangeliner-garten.de

Öffnungszeiten des Gartens
Mai bis September: täglich 10.00 – 18.00 Uhr
April und Oktober: Montag – Freitag 10.00 – 16.00 Uhr und Samstag und Sonntag 12.00 – 17.00 Uhr

Öffnungszeiten des Cafés
Mai bis September: täglich 10.00 – 18.00 Uhr
April und Oktober: Freitag – Sonntag 12.00 – 17.00 Uhr

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