
Ackern in Appen – Gemüse und Geplauder auf dem Miet-Acker (7)
Die erste Saison auf unserem Miet-Acker auf dem Schäferhof in Appen ist vorbei. Was sie uns gebracht hat? Zucchini, Kartoffeln & Co. in rauen Mengen, zwei Vorsätze und vier Erkenntnisse für die nächste Runde.
Wir haben uns vom Acker gemacht. Ende Oktober waren wir ein letztes mal vor Ort und haben abgeerntet: noch einmal zweieinhalb Kisten voll Gemüse. Eine davon war hauptsächlich mit der Petersilie „Gigante d’Italia“ gefüllt. Eine wirklich große Petersiliensorte, die ich samt Wurzeln ausgegraben habe. Die meisten dieser Wurzeln waren lang und dünn, einige waren sehr stattlich, fast wie Möhren. Ob man die auch essen kann, wusste keiner der anwesenden Miet-und-Mit-Gärtner.
Ist die Wurzel der Petersilie das Gleiche wie Petersilienwurzel?
Und weil mein Internet-Recherche-Ergebnis unbefriedigend war, habe ich Ulrike Stark von Bingenheimer Saatgut befragt: „Die ,Gigante d’Italia‘ ist eine glattblättrige Petersilie und keine Wurzelpetersilie. Die Blattpetersilie bildet zwar tatsächlich meist lange, dünne Wurzeln aus, aber soweit ich weiß, verholzen sie. Dass diese verholzten Wurzeln essbar sind, glaube ich nicht, habe es aber auch noch nie ausprobiert. Wenn man beides nutzen möchte, Blätter und Wurzel, sollte man die Wurzelpetersilie anbauen“, sagt sie. Schade, umsonst gebuddelt!

Lust auf Experimente
Fast vier Wochen vor Saisonende habe ich André (Titelfoto) kennengelernt, auch ein Frischling auf dem Acker. Zu Hause hat er einen Schattengarten, in dem Gemüseanbau kaum möglich ist. Als eine Kollegin ihm von „Erntezeit“ erzählte, zögerte er nicht lange. Und dass er nächstes Jahr weitermacht, ist auch schon klar. Erfolg und Entspannung treiben ihn an, genauso wie die Lust am Experimentieren. Zum Beispiel mit Süßkartoffeln. Am Anfang der Saison hat er eine Bio-Süßkartoffel gekauft und im Boden versenkt. Herausgekommen sind eine Reihe Süßkartöffelchen und die gut dreifach vergrößerte Ursprungsknolle mit einer dünnen, alten und einer frischen, dicken Seite.
Zwei Vorsätze
1. Anhäufeln: Das nächste Jahr wird höher
Experimentieren wollen wir im nächsten Jahr auch. Eigentlich war die Kartoffelausbeute sehr üppig, aber vielleicht geht mit einer höheren Anhäufelung noch mehr. Anhäufeln bedeutet, den Sockel der Pflanze mit einem Erdwall zu bedecken. Allerdings setzen sowohl die Nachbarpflanzen als auch die Physik der Anhäufelung Grenzen. Es braucht also eine Möglichkeit, in engen Grenzen höher zu häufeln. In Gartenbüchern werden alternative Pflanzmethoden vorgestellt, wie das Pflanzen in Säcke oder in Türmen aus Autoreifen, die immer weiter erhöht werden. Das kommt auf dem Acker aber nicht in Frage. Vielleicht können wir uns mit kleinen Zäunen aus Ästen helfen und dann mit Erde und stabilisierendem Mulch anhäufeln. Einen Versuch ist es wert, oder?
Ähnlich wollen wir mit dem Porree verfahren. Als wir die Stangen aus der Erde gezogen haben, waren wir erstaunt, wie kurz das weiße Ende ist. Inzwischen sind wir schlauer. Porree wächst nicht nach unten, sondern nach oben. Das bedeutet: Wer einen langen, weißen Porreeschaft haben möchte, muss anhäufeln.
2. Mehr Beipflanzungen: Mit Salbei, Thymian und Tagetes ins Feld ziehen
Außerdem wollen wir versuchen, die Kulturen durch Beipflanzungen besser zu schützen. Dass Bohnenkraut und Bohnen nicht nur im Topf gut zusammenpassen, sondern auch auf dem Acker, haben wir in dieser Saison gelernt. Bohnenkraut vertreibt nämlich sowohl die Schwarze Bohnenlaus als auch die Bohnenfliege. Beide Pflanzen werden auf dem Acker standardmäßig zusammengepflanzt.
Besonders schutzbedürftig erscheinen uns die Kohlpflanzen. Ab Saisonmitte haben sich die Kohlweißlinge auf die Pflanzen gestürzt, zum Ende der Saison die weißen Fliegen. Sie machten unsere Kohlernte zum Flop der Saison. Salbei, Thymian und Minze schrecken angeblich Kohlweißlinge ab und Tagetes vertreibt die Weiße Fliege. Im kommenden Jahr werden wir also mehr und dichter pflanzen und ausprobieren, ob die Kräuter den Job übernehmen.

Die meisten Gärtner kennen den Ärger, den Schnecken mit sich bringen: restlos vernichtete Jungpflanzen und angeknabberte Blätter. Seltsamerweise haben die Schnecken einen Bogen um den Acker gemacht. Anfangs habe ich vermutet, dass unsere strategisch günstige Lage in der Mitte des Ackers uns vor den gefräßigen Schleimern schützt, weil sie schon am Ackerrand so reichlich bedient werden, dass ein Vordringen in die Mitte nicht nötig ist. Stimmt aber nicht. Auch an den Rändern hat niemand über Schnecken geklagt. Wieso das so ist? Keine Ahnung!

Nicht alles, was auf dem Acker wächst, ist essbar. Manches ist nur schön oder nützlich oder im besten Fall beides, wie der Kalifornische Mohn. Er sät sich selbst aus und ist ein absoluter Insektenmagnet.

Vier Erkenntnisse
1. Wachsende Dankbarkeit
Unsere erste Saison auf dem Acker hat uns eine Menge gelehrt. Das Wichtigste sind Wertschätzung und Dankbarkeit. Wer die viel zitierte eingeschweißte Supermarktgurke in den Händen hält, denkt sicher kaum an krümelige Erde, Gurkenkeimlinge und Sonnenlicht. Ganz anders ist es, wenn man seine Lebensmittel, oder zumindest einen Teil davon, selber anbaut. Oder auch, wenn man in der Natur ernten geht. Plötzlich ist es nicht mehr selbstverständlich, dass alles immer vorhanden ist.
So platt es klingt: Zu sehen, wie die Saat aufgeht und wie Kartoffeln, Möhren und das andere Gemüse wachsen, ist sowas wie ein Wunder zu beobachten. Wir können viel tun wie den Boden lockern, ihn mit Mulch schützen und Schädlinge absammeln. Aber all das würde nichts bringen, wenn der Funke nicht wäre. Das Wunder des Lebens, das wir selber nicht hervorbringen können. Darauf bleibt man immer angewiesen.

2. Gießen wird überschätzt
Gießen ist eine völlig überschätzte Tätigkeit im Garten. Wir wohnen etwa zehn Kilometer vom Acker entfernt, konnten also kaum gießen. Und das in diesem Dürresommer! Man hätte vermuten können, dass die Sache daneben geht. Tat sie aber nicht. Vielleicht lag das auch daran, dass wir einige Kulturen gut gemulcht haben.
3. Ohne Plan kein Plan
Ein dauerhaft aktueller Anbauplan ist vielleicht spießig, aber hilfreich. So sehr ich mir auch vorgenommen habe, mir zu merken, wo ich was nachgesät habe, ich bin immer wieder gescheitert. Kaum zu Hause, war schon vergessen, wo ich Frühlingszwiebeln und wo Mangold nachgesät hatte. Das setzte sich die Saison über fort. Aber im nächsten Jahr…
4. Gärtnern ist Genuss
Die letzte Erkenntnis, die ich gewonnen habe, hat mit der Relativität von Zeit zu tun und mit Frederick, dem Mäusejungen von Kinderbuch-Autor Leo Lionni.
Die Uhren auf dem Acker ticken anders. Kaum hat man nur ein bisschen geguckt, gestaunt, gerupft und geschnitten, sind drei Stunden vorbei. Man kommt zu spät zum Kinderabholen, zum Essen oder zu Verabredungen. Das passiert und ist natürlich ärgerlich in dem Moment. Aber es zeigt auch, wie sehr die Ackerwelt zum Abtauchen und Genießen einlädt. Mit Vogelgezwitscher, Erde an den Händen, Bienengesumme, farbenprächtigen Blüten und überbordendem Leben, das schmeckt. Da denke ich immer wieder an Frederick, den kleinen Mäusejungen, der Sonnenstrahlen und Farben sammelte, um im Winter davon zu zehren.
3 thoughts on “Ackern in Appen – Gemüse und Geplauder auf dem Miet-Acker (7)”
Wunderbarer Rückblick, Danke.
Das mit dem Gießen bzw. Nicht-Gießen finde ich erstaunlich als totale Nicht-Gärtnerin.
Aber vor allem: Ich bin total beeindruckt von euer Ernte! Unglaublich. Glückwunsch!
Gerne und danke! Ich fand es auch sehr schön, die Saison Revue passieren zu lassen. Wenn der nächste Sommer ein norddeutscher Durchschnittssommer wird, müsste es eigentlich ganz ohne Gießen gehen. Wenn meine Nerven das mitmachen, werde ich es ausprobieren.
Schöner Rückblick auf das vergangene Gartenjahr. Kann mich Deinen Erkenntnissen nur anschließen. Besonders der, dass die Uhren im Garten anders ticken: Es erstaunt mich immer wieder, wie schnell die Zeit im Garten vergeht. Man findet immer etwas zu tun und ist dabei ganz bei der Sache: Möhren vereinzeln und gleichzeitig über Büroärger rumgrübeln geht einfach nicht – sobald meine Hände in der Erde sind, sind die rumfliegenden Gedanken gebändigt und Ruhe kehrt ein. Dafür und natürlich für die reiche Ernte (trotz Hitzesommer) bin auch ich dankbar.