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„Bin im Garten“ von Meike Winnemuth

Meike Winnemuth? Genau! Das ist die Ausprobiererin, die mit der Weltreise. Nun war die Journalistin wieder ein Jahr lang in fremden Welten unterwegs – im eigenen Garten. Und auch darüber hat sie ein Buch geschrieben: „Bin im Garten“.

Meike Winnemuth liebt Selbstversuche, und sie erzählt gerne darüber. Die stern-Kolumnistin nahm diverse Sexdienstleistungen in Anspruch (nicht alle befriedigend übrigens), trug ein Jahr hindurch ein identisches Kleid (in drei Ausführungen, muss ja auch mal gewaschen werden), und sie reiste ein Jahr lang um die Welt, lebte dabei je einen Monat in einer anderen Stadt – finanziert durch einen 500.000-Euro-Gewinn bei „Wer wird Millionär?“. Das Buch zur Reise, „Das große Los“, wurde zum Bestseller.

Winnemuth will alles – und zwar sofort

Nun also fällt sie auf der Suche nach dem Glück ins andere Extrem. Dem Fernweh folgt die Sehnsucht nach der eigenen Scholle. Jahrzehntelang hatte Winnemuth „keinerlei Kontakt mit irgendeiner Form von Grünzeug“, sie war überzeugt: „Garten ist wie Rente, das Leben nach dem Leben.“ Aber mit dem Kauf eines Hauses an der Ostsee vor einigen Jahren änderte sich ihre Einstellung. Nach ihren ersten Pflanzversuchen im eigenen Garten, die mehr oder weniger von Erfolg gekrönt waren, merkte die 58-Jährige: „Ich brauche etwas Handfestes in meinem Leben, etwas Reelles“. Sie entschied sich für eine Auszeit, für ein Jahr im eigenen Garten.

Mit viel Humor nimmt Winnemuth den Leser mit auf ihre Reise zu sich selbst. Erzählt von kleinen Siegen, Enttäuschungen, Glücksgefühlen – und ihrer (einseitigen) Liebe zu dem britischen Gartenguru Monty Don. Mit kindlicher Begeisterung blättert sie sich stundenlang durch Kataloge, bestellt exzessiv Samen, Blumenzwiebeln, Gartengeräte, zieht sich besessen englische Gartensendungen rein und findet für jedes Problem eine Lösung bei YouTube – und oft sogar unterschiedliche und häufig sich widersprechende.

Frau über Leben und Tod

Winnemuth baut Hochbeete und Wege, sät, erntet und ist bei jedem morgendlichen Gang durch den Garten erstaunt, was sich schon wieder verändert hat: „Der Garten hat mir Dutzende von Freuden in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen serviert: Überraschung, helles Entzücken, Dankbarkeit, Zuversicht, Stolz, Hoffnung“, so ihr Fazit. Sie feiert das Scheitern („Wir betreiben hier ja kein Atomkraftwerk. Es darf hier schief gehen, was schief gehen will“), verzichtet auf Prachtstauden und Diven, die ständig betüdelt werden müssen („Mein Garten soll keine Intensivstation werden“), arrangiert sich mit ihrer Konzeptlosigkeit („Das Leben ist ja noch lang“) und wird von einem Gotteskomplex‘ befallen („Das habe ICH gemacht, ganz allein“).

Man bekomme genau das von seinem Garten zurück, was man bereit ist hineinzustecken, so Winnemuth. Und so tauge ein Garten eben auch zum Psychogramm: „Er ist eine Demonstration meiner Inkonsequenz.“ Sie ist aber auch überzeugt: „Der Garten wird mit mir wachsen und ich mit ihm. Er stülpt mein Innerstes nach außen. Was ich schön finde und was nicht, was ich zulasse und was nicht, all das bildet sich ab in ihm“. Und oft, wenn die Autorin in ihrem Garten sitzt, überkommt sie ein Gefühl der Geborgenheit und ihr fehlt: nichts.

Das Buch macht nicht nur Lust auf den Garten, sondern auch auf das Leben

Und was hat der Leser davon? Nun: „Bin im Garten“ ist keine Fibel, kein Anleitungsbuch, aber das ist auch nicht Winnemuths Anspruch. Natürlich hat sie ein paar praktische Tipps parat, liefert Ideen für Blumen und essbare Pflanzen, aber das Buch lebt in erster Linie von Winnemuths Begeisterungsfähigkeit, von ihren Gedanken und ihren vielen kleinen Lebensweisheiten, die zum Nachdenken anregen und in denen sich viele Leser wiedererkennen – egal, ob sie Gartenliebhaber sind oder nicht. Das ist klug, originell, reflektiert, in hohem Maße anregend und oft sogar anrührend. Viele werden sich nach dem Lesen des Buchs lustvoll in die Arbeitsklamotten stürzen, andere werden auch weiterhin nicht zum Spaten greifen. Nicht weiter schlimm: Man muss ja auch nach der Lektüre eines spannenden Weltreisebuchs nicht selbst gleich den nächsten Flug buchen.

Sie sei gut in Aufbrüchen und im Wegfahren, aber nicht so sehr im Ankommen und Bleiben, so schätzte sich Winnemuth früher ein. Nun freut sie sich, einen Ankerplatz, einen Ort der Hoffnung und ein Stück Heimat gefunden zu haben: „Es ist die beste, befriedigendste Arbeit, die ich je getan habe.“ Und eine, mit der man nie fertig ist. Der Garten habe sie vielleicht nicht zu einem besseren Menschen gemacht, aber zu einem Gnädigeren, einem Geduldigeren, einem Genügsameren. Man spürt: Die Liaison zwischen Meike Winnemuth und ihrem Garten, sie hat gerade erst begonnen. Schön, dass wir Voyeur sein dürfen.


„Bin im Garten – Ein Jahr wachsen und wachsen lassen“  von Meike Winnemuth, 320 Seiten, erschienen im März 2019 im Penguin-Verlag, München

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