Agroforst auf dem Gut Groß Zecher am Schaalsee ?>

Agroforst auf dem Gut Groß Zecher am Schaalsee

Eine nachhaltige Landwirtschaft mit Kunst zu verbinden. Das war die Idee, als 2003 im südlichen Schleswig-Holstein direkt am Schaalsee ein besonderer Agroforst angelegt worden ist. 1600 Bäume und Sträucher wie Speierling, Ahorn, Elsbeere sowie Apfel-, Kirsch- und Pflaumenbäume wurden auf einem sandigen Ackerstandort auf dem Gut Groß Zecher gepflanzt. Wie es dazu kam, was dann passierte und wie es heute läuft, lest ihr hier.

Westlich des Schaalsees nur wenige Meter vom Ufer entfernt liegt ein ungewöhnliches Stückchen Land. Hier wachsen Ackerkulturen und Gehölze in einem attraktiven Mix. Aus der Vogelperspektive betrachtet sieht man riesige Halbkreise, die ineinander liegen und von innen nach außen immer größer werden. Auf den Halbkreisen wachsen die unterschiedlichsten Bäume und Sträucher. Die Flächen zwischen diesen Gehölzstreifen sind in landwirtschaftlicher Nutzung. Hier finden sich jährlich wechselnde Kulturen wie Buchweizen, Roggen, Gerste, Raps oder Lein.

Eingangsbereich des Agroforstes mit Götterbaum. Vor hier führt ein Weg durch die Anlage.
Wer diesem Weg folgt, wird umrahmt von Apfel-, Kirsch- und Pflaumenbäumen durch den Agroforst geführt.

Agroforstwirtschaft: moderner Begriff, alte Idee

Das Konzept, das hinter dieser Flächennutzung steht, nennt sich Agroforstwirtschaft. Der Begriff ist aktuell stark im Kommen, die Idee – nämlich die bewusste Kombination von Land- und Forstwirtschaft auf ein und derselben Produktionsfläche – aber ist uralt. Früher weideten Schweine und Rinder in sogenannten Hutewäldern, Streuobstwiesen waren weit verbreitet und Getreide wurde auch unter Bäumen angebaut. Heute sind Wald und Feld klar voneinander getrennt. Doch der Verlust der Bodenfruchtbarkeit sowie die eskalierende Klima- und Biodiversitätskrise lässt Zweifel an dieser strikten Trennung aufkommen. Agroforstsysteme haben viele Vorteile: Die Bodenfruchtbarkeit wird erhöht, die Artenvielfalt gefördert, Erosion vermindert, die Widerstandsfähigkeit gegen Dürren und Unwetter steigt, Nährstoffe und Wasser können besser genutzt werden und Landwirte erarbeiten sich langfristig neue Einkommensquellen. Das alles (und einiges mehr) führt dazu, dass sich Landwirte wieder mit diesen alten Landnutzungssystemen beschäftigen und der eine oder die andere sie ausprobieren.

Apfel-, Kirsch- und andere Obstbäume säumen den Weg, der durch die Agroforstanlage führt.
Apfel-, Kirsch- und andere Obstbäume säumen den Weg, der einmal quer durch die Agroforstanlage führt.

Zwei Künstler suchen neue Wege

Hannelore von Witzendorff vom Gut Groß Zecher im Herzogtum Lauenburg ist eine von ihnen. Auf ihrem Gut wurde 2003 auf rund zehn Hektar Ackerfläche ein Agroforst angelegt. „Soweit ich weiß, ist das der erste moderne, kunstvoll designte Agroforst in Deutschland“, erzählt die Gutsherrin. Frank Schumann und Bernd Schindler, zwei junge Künstler, haben sie damals für diese Idee gewinnen können. Sie hatten bereits 1997 das „Freie Institut für interdisziplinäre Studien“ FINIS gegründet, um neue Landwirtschaftsformen zu fördern. Die Ästhetik spielte dabei für sie eine zentrale Rolle. In Hannelore von Witzendorff fanden sie genau die Partnerin, die sie gesucht hatten: eine Landwirtin mit Spaß an Experimenten, Sinn für Schönheit und einem Verständnis für ökologische Zusammenhänge.

Hannelore von Witzendorff in der spätsommerlichen Lindenallee in Groß Zecher
Für Gutsherrin Hannelore von Witzendorff ist der Agroforst ein Herzensprojekt.

Zehn Hektar im Halbkreis-Design auf sandigem Boden

Auf einer hügeligen Fläche, die nach Westen hin von einem konventionellen Acker und nach Osten hin von einer am See gelegenen Straße begrenzt wird, sollte der Agroforst entstehen. Mit knapp 25 Bodenpunkten hatte die landwirtschaftliche Fläche zuvor nur wenig Ertrag gebracht. Im April 2003 wurden 1600 Gehölze gepflanzt – 160 pro Hektar. Gesponsert wurden die Bäume von Optiker Fielmann, gepflanzt wurden sie mit Hilfe einer 7. Klasse der Rudolf-Steiner-Schule aus Hamburg-Bergedorf.

Während die Gehölzstreifen in Agroforstsystemen oft entweder entlang der Höhenlinien oder in Nord-Süd-Ausrichtung angelegt werden, folgen sie in Groß Zecher einer anderen Logik. Hier steht nicht die Funktionalität im Vordergrund, sondern die von Schumann und Schindler geplante Ästhetik. Die Bäume wurden in ineinander liegenden Halbkreisen gepflanzt, die ihre jeweiligen Enden an einem Feldweg finden, der den Agroforst von der daneben liegenden konventionellen Ackerfläche trennt. Im kleinsten Halbkreis wurde Aronia und Weinbeere gesetzt. Einer der mittelgroßen Halbkreise ist zweireihig gepflanzt. Zwischen den beiden Reihen führt ein Fußweg entlang, auf dem Besucher den Agroforst durchwandern können. Hier wachsen unter anderem ein Götterbaum am Eingang, dazu Apfelbäume, Kirschbäume, Zieräpfel, Wildkirschen und Blutpflaumen. In den anderen Halbkreisen finden sich vor allem Berg-Ahorn, Zucker-Ahorn, Elsbeeren, Speierlinge, Ebereschen, Walnussbäume, Esskastanien und Wildbirnen.

Nicht nur Bäume wie hier eine Elsbeere wachsen auf den Gehölzstreifen. Auch nicht geplante Arten wie Rainfarn bieten vielen Tieren Lebensraum und Nahrung.
Für Insekten, Vögel und viele andere Tiere ist der Agroforst ein toller Lebensraum. Hier finden sie neben Elsbeeren und Rainfarn zahllose weitere Nahrungsquellen.
Ein mit roten Äpfelchen behangener Zierapfelbaum vor einem Buchweizenfeld.
Auch Zieräpfel wachsen auf den Gehölzstreifen.
Fast erntereife Aroniabeeren an einem Strauch im inneren Kreis der Agroforstanlage
Im inneren Halbkreis der Anlage wurden Aroniasträucher und Weinbeeren gepflanzt. Während die Weinbeeren nicht überlebt haben, gedeihen die Aroniasträucher sehr gut.

Pflanzstreifen mit 26 Meter Abstand

Gepflanzt wurden die Bäume im Abstand von je drei Metern, später sollten sie auf sechs oder neun Meter ausgedünnt werden. Um die Feldflächen mit den damals genutzten Maschinen und Geräten bestmöglich nutzen zu können, wurde eine Feldbreite von 24 Metern festgelegt. Die Pflanzstreifen selber waren bei der Anlage zwei Meter breit. Von Stamm zu Stamm gerechnet beträgt der Abstand also 26 Meter. Im selben Jahr wurde in schwungvollen Mustern verteilt über die ganze Anlage Gründünger gepflanzt – Phacelia und Ringelblume bildeten so ein bodenaufbauendes Farbfeld.

Gehölzstreifen und Feldflächen im parallelem Wechsel
Auch wer nicht mit einer Drohe unterwegs ist, kann die Halbkreisform der Anlage gut erkennen.

Wie sich der Agroforst über die Jahre entwickelt hat

Zwanzig Jahre sind seit der Anlage des Systems vergangen. Manche der damals gepflanzten Bäume sind Riesen geworden, manche sind für ihre Art recht klein geblieben und manche eingegangen. Gründe dafür gibt es viele. „Sowohl die zunehmende Trockenheit als auch Wühlmäuse haben den Anpflanzungen sehr zugesetzt“, erinnert sich Hannelore von Witzendorff und ergänzt: „Leider ist hier nicht alles so gelaufen, wie es geplant war. Die beiden Initiatoren Schumann und Schindler sind wenige Jahre nach Projektbeginn ausgestiegen.“ Eigentlich sollte der Agroforst ein Ort für Bildungsangebote wie Wildkräuter- und Kochkurse werden. Er sollte Menschen in Kontakt bringen mit Landwirtschaft und Lebensmitteln, sollte Kunst auch in Form von Workshops auf dem Land erlebbar machen. Aus diesen Plänen ist bislang nichts geworden, auch die Pflege der Anlage läuft auf Schmalspur. Die Früchte werden nur sporadisch geerntet. Und auch für Maßnahmen wie das Aufasten* der Werthölzer fehlten Kapazitäten, was den Ertrag des Holzes verringern wird.

Auch Burkhard Kayser von der Agroforst-Beratung Agroforst.de ist der Ansicht, dass bei der Planung, Umsetzung und Pflege nicht alles ideal gelaufen ist. Er war zwar nie vor Ort, war aber in wiederholtem Kontakt mit Frank Schumann in dessen Planungs- und Umsetzungsprozess. „Die Anordnung der Streifen ist aus ästhetischer Sicht von einem Künstler geplant, der nur etwas Ahnung von Agroforstplanung hatte. Die Baumartenwahl ist damals leider nicht standortgerecht erfolgt und auch die Pflege in den ersten Jahren war wohl unzureichend. Es gab hohe Ausfälle“, sagt Burkhard Kayser. Optisch ansprechend findet er den Agroforst dennoch und ergänzt: „Letztlich muss das Agroforstsystem immer auch für die Bewirtschaftenden passen.“

Biolandwirt Conrad Torkler über die Bewirtschaftung der Ackerfläche

Conrad Torkler ist Biolandwirt aus dem benachbarten Örtchen Klein Zecher. Seit vier Jahren bewirtschaftet er die Feldflächen im Agroforst. Vorher wurden sie konventionell betrieben. Die in diesem Jahr angebaute Kultur – nämlich Buchweizen – darf nach der dreijährigen Umstellung auf Ökolandbau erstmalig als Bioprodukt verkauft werden. Auch Conrad Torkler schätzt die Ästhetik der Anlage. Doch noch mehr begeistert ihn die große Biodiversität, die durch die Gehölzstreifen mit ihrem gepflanzten und spontanen Bewuchs gefördert wird. Sowohl Vögel wie Feldlerchen als auch Schmetterlinge wie Distelfalter entdeckt er auf den Baumstreifen. Zusätzlichen Nutzen sieht er in Sachen Klimaschutz, weil die Gehölze Kohlendioxid über einen langen Zeitraum binden.

Agroforst auf dem Gut Groß Zecher, aufgenommen von einer Drohne
Wenige Tage nach der Buchweizenernte: der Agroforst auf dem Gut Groß Zecher am 8. Oktober 2023. Vielen Dank an Siegfried Dreyer, der dieses Bild und auch das Titelbild zur Verfügung gestellt hat.

Ackerbaulich jedoch bemerkt er nicht nur Vorteile. Zwar bringen die Wurzeln der Bäume Nährstoffe aus den unteren Bodenschichten nach oben, die dann bei der Zersetzung des Laubs den Ackerkulturen zur Verfügung stehen, aber die zahlreichen Übergänge von Gehölzstreifen zum Feld seien nicht immer leicht zu managen. „Die Feldbreite ist nicht immer exakt gleich. Das beeinträchtigt die Bearbeitung und führt dazu, dass Randstreifen, die eigentlich für den Anbau vorgesehen sind, zugunsten der Gehölzstreifen verloren gehen“, erklärt der Biolandwirt. Ebenfalls nicht ganz glücklich findet er die ungleichmäßige Verschattung, die durch die in Halbkreisen gepflanzten Gehölze entsteht: „Sie führt dazu, dass in den stärker verschatteten Bereichen die Reife später einsetzt.“ Auf seinen eigenen Flächen will Conrad Torkler vorerst keinen Agroforst anlegen. Gehölze an Feldrandflächen will er dennoch pflanzen und auch die Anlage von Teichen ist geplant.

Infotafel von Biobauer Conrad Torkler vor dem Eingang zum Agroforst
Seit vier Jahren bewirtschaftet Biolandwirt Conrad Torkler die Felder des Agroforsts.

Die Zukunft des Agroforsts auf dem Gut Groß Zecher

In den letzten Jahren gab es eine Reihe von Nachpflanzungen, vor allem mit Esskastanien und Walnüssen. Weitere Pflanzungen sind geplant. Und die Idee, Workshops und Kurse auf diesem schönen Fleckchen Erde zu veranstalten, ist auch nicht vom Tisch. Führungen durch den Agroforst, den Hannelore von Witzendorff als ihr Herzensprojekt sieht, gibt es jetzt schon mehrfach im Jahr.

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Was man sonst noch auf dem Gut erleben kann, etwa urlauben, Essen gehen, Tagungen veranstalten oder den zwei Kilometer langen Ackererlebnispfad erkunden, erfahrt ihr bei einem Besuch auf der Website vom Gut Groß Zecher.

Übrigens: Waldgärten sind eine Spezialform des Agroforsts und Volker Kranz ist ein Experte auf diesem Gebiet. Ich habe mich vor ein paar Jahren mit ihm im Essgarten von Frits (Frederik) Deemter in der Nähe von Bremen unterhalten. Das war super lehrreich und zugleich sehr unterhaltsam. Schaut selbst: Volker Kranz – Permakultur-Designer und Waldgarten-Planer.

Ebenfalls mit Waldgärten zugange ist der Hamburger Permakultur-Designer Edouard van Diem.

* Unter Aufasten versteht man eine Pflegemaßnahme, bei der die Verzweigungen im unteren Stammbereich entfernt werden, um den Wuchs eines einzigen geraden Stamms zu unterstützen.

2 thoughts on “Agroforst auf dem Gut Groß Zecher am Schaalsee

  1. Ein beeindruckendes Projekt. Auch wenn nicht alles optimal gelaufen ist bzw. geplant wurde, so ist es doch eine Freude zu lesen, dass es Menschen gibt, die den Aspekt der Schönheit explizit in ihre Planung haben einfließen lassen. Ein vielfach vernachlässigter und geradezu verpönter Aspekt, dabei doch so wichtig für unser Wohlbefinden. Vielen Dank für diesen interessanten Text und die vielen schönen Fotos!

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