Volker Kranz: Permakultur-Designer und Waldgarten-Planer ?>

Volker Kranz: Permakultur-Designer und Waldgarten-Planer

Den Drall in die Natur verspürt Volker Kranz solange er denken kann. Schon als Grundschüler begeisterte er sich für Naturbeobachtungen und baute in der Garage ganze Naturlandschaften nach. Im Prinzip macht er das noch heute. Nur in größerem Umfang und nicht mehr in der Garage. Volker Kranz ist Permakultur-Designer, und schuld daran ist eine 30 Zentimeter dicke Schicht Spinat.

Volker Kranz lehnt sich zurück auf seinem grün-weißen Klappstuhl, schlägt ein Bein über das andere und atmet tief aus*. Einen Augenblick hält er inne. Dann holt er aus, zeigt um sich herum und sagt: „Alles war leer hier. Nur die beiden Linden neben dem Haus und ein Kirschbaum waren da. Und jetzt sitzt du hier in einem Dschungel“. Dieser Dschungel wuchert auf einem zweieinhalb Hektar großen Grundstück im Oldenburger Land etwa 30 Kilometer südwestlich von Bremen. Mehr als 1200 essbare Pflanzenarten aus aller Welt machen das Gelände zu einem besonderen Ort: dem Essgarten. Vor bald dreißig Jahren hat Frits (Frederik) Deemter, ein charmant-spleeniger Holländer, den Keim für das Projekt gelegt. Volker Kranz war daran nicht ganz unbeteiligt. „Ich habe Frits angefixt mit dieser Idee“, erzählt er. Seine Liste mit 16 essbaren Gehölzen gab damals den Startschuss.

Volker Kranz (links) steht mit Frits Deemter im Essgarten und schenkt ihm eine Pflanze
Wenn Volker Kranz in Frits Deemters Essgarten kommt, hat er oft eine besondere Pflanze im Gepäck – diesmal eine Chilenische Guave (Ugni molinae).

Heute zwitschert, rauscht und summt es auf dem ehemals so trostlosen Gelände. Bäume in allen Größen, Sträucher, Stauden und Kletterpflanzen bilden ein üppiges, an manchen Stellen undurchdringliches Dickicht. Trampelpfade führen an dornig-skurrilen Stämmen vorbei, an exotisch duftenden Blüten und an Blattwerk, das so groß ist, dass gleich zwei Kleinkinder unter nur einem der Blätter Platz finden würden. Hier fühlt sich Volker Kranz wohl und hierher kommt er mehrmals im Jahr zu Besuch. Nicht nur, um seinen alten Freund Frits zu besuchen und die Entwicklung des Essgartens zu beobachten, sondern auch um zu arbeiten.

Ein Waldgarten-Seminar im Essgarten

Volker Kranz ist Permakultur-Designer und verdient sein Geld sowohl am Schreibtisch als Planer von Gärten und größeren Anlagen als auch vor Ort auf den Baustellen. Zusätzlich hält er Vorträge und gibt Seminare. Eines seiner Lieblingsthemen ist die Gestaltung von Waldgärten. Diese Art von Gärten werden nach dem Vorbild natürlicher Wälder angelegt, aber mit Pflanzen bestückt, die essbare Erträge liefern. Der Essgarten ist so ein Waldgarten und damit ein perfekter Ort für ein Waldgarten-Seminar. Drei Tage lang erklärt Kranz die Theorie, plaudert aus dem Nähkästchen seiner langjährigen Gestaltungsarbeit und führt zusammen mit Frits über das Gelände, auf dem die Theorie ihre Umsetzung erfahren hat.

Volker Kranz sitzt am sandigen Strand des kleinen Teichs im Essgarten. Hinter ihm wachsen feuchtigkeitsliebende Gräser und andere Pflanzen.
Der Sandstrand des kleinen Teichs im hinteren Bereich des Essgartens ist ein guter Platz für eine Pause.

Schon als Kind kannte Kranz nur eine Richtung: in die Natur

Die Beschäftigung mit Wald, Garten und Natur ist für Volker Kranz mehr als nur ein Job. Sie ist gewachsene Leidenschaft, die ihn schon in jungen Jahren ergriffen hat. Zwar hatten seine Eltern wenig Ahnung von Natur und Gärtnerei, dennoch zog es die gesamte Familie Wochenende für Wochenende in die Blockhütten oder zum halbwilden Campen in den Teutoburger Wald. Kranz‘ Oma hingegen kannte sich aus in Sachen Natur und bediente sein grünes Interesse zusätzlich. „Sie kannte jeden Pilz und jedes Kraut und konnte Forellen mit der Hand fangen“, erzählt er.

Grabschänderei mit Till und Walter

Mit acht oder neun Jahren gründete der gebürtige Münsteraner zusammen mit seinen Freunden Till und Walter einen Tierfriedhof. „Wir haben damals alles aufgelesen, was platt auf der Straße lag und dann beerdigt. Nach drei Jahren haben wir die Tiere wieder ausgebuddelt um mal zu sehen, was noch so übrig war an Knochen und so. Wir haben also fast sowas wie Grabschänderei betrieben“, erinnert sich Kranz. Ein kleiner Schmunzler huscht über sein Gesicht.

Naturausstellungen in der Garage

Auch im Wald waren die drei Jungs gemeinsam unterwegs. Sie haben Tierskelette zusammengebastelt und sie mit gefundenen Nestern und nachgebauten Naturlandschaften in der Garage als Ausstellung präsentiert. Der Eintritt belief sich damals auf zehn Pfennig. Geld, das die drei Waldforscher gleich wieder investiert haben – in Tierfutter, Möhren und Speck. Dieses Futter legten sie im Wald aus und versuchten anhand der Spuren herauszufinden, welche Tiere sich dort bedienten.

Eine Ausbildung und mehrere Ehrenämter

Nach der Schule begann Kranz als Azubi in einer kleinen Baumschule in Münster – eine Verlegenheitslösung. Viel interessanter als die Ausbildung erschien ihm die Politik der damaligen GAL (Grüne Alternative Liste), der Alpenverein und der Deutsche Bund für Vogelschutz (heute NABU), wo er einige Jahre mitmischte und verschiedene Ämter bekleidete.

Firmengründungen: von der Naturgarten GmbH zu baumrausch

Kaum war die Ausbildung 1984 geschafft, machte ihm ein Freund den Vorschlag, eine Firma zu gründen. „Was wir politisch immer erzählt hatten, ganz streng nur mit heimischen Pflanzen arbeiten und so, das wollten wir umsetzen und richtig gute Ökogärten bauen“, erinnert sich Kranz. Mit einem leichten Grinsen zuppelt er an seinem hellblauen Naketano-Shirt und schaut sich um im Essgarten, in dem Pflanzen wachsen wie die Asiatische Pestwurz, der Kanadische Judasbaum und der Kaukasische Rankspinat. Seine türkisblaue Sweatjacke hat er schon ein paar Minuten zuvor zur Seite gelegt. Es ist heiß an diesem Tag auf der Terrasse direkt vor der altmodisch-eleganten Orangerie, die als Restaurant und Veranstaltungsort dient und ebenfalls Pflanzen aus allen Enden der Welt beherbergt.

Volker Kranz hockt zwischen den riesigen Blättern der Asiatischen Pestwurz und lacht Richtung Kamera
Volker Kranz hat ein Faible für ungewöhnliche Pflanzen. Zum Beispiel für die Asiatische Pestwurz, deren Stängel als Gemüse zubereitet werden können.

„Naturgarten GmbH“ nannten die beiden Freunde ihre Firma. Neun Jahre lang arbeitete Kranz unterbrochen vom Zivildienst in seinem Unternehmen. Dann überließ er die GmbH seinem Geschäftspartner, zog nach Bremen und gründete dort die Firma „Blattrausch“, die heute „baumrausch“ heißt. Mittlerweile beschäftigt die Firma rund 30 Angestellte und bietet Baumpflege, ökologischen Landbau sowie Planungen von Gärten und Anlagen in allen Größen, einschließlich Projekten zur Entwicklungszusammenarbeit in großen Maßstäben.

Volker Kranz steht im Gewächshaus des Essgartens erklärt und gestikuliert.
Immer alle Hände voll zu tun: Volker Kranz.

Wie Volker Kranz zur Permakultur kam

Zur Permakultur ist Volker Kranz in seiner „Naturgarten GmbH“-Zeit gekommen. Auf der alternativen Energiemesse „anders leben“ stieß er auf einen Stand vom Verein Prinzhöfte, einem Zentrum für ökologische Fragen. Dort wurde gezeigt, wie man mit Spinat einen Teich abdichten kann. Bei dieser Technik versucht man, einen Naturprozess nachzubilden, indem man in ein ausgehobenes Teichloch eine 30 Zentimeter dicke Schicht aus Spinat einfüllt. Wenn das Ganze gewässert wird, fängt das im Spinat enthaltene Eiweiß an zu verschleimen, der Spinat sackt zusammen und bildet eine wasserundurchlässige Schicht. Das gefiel dem einstigen Waldforscher und Skelettzusammenbauer Kranz so gut, dass er das Gespräch mit den Prinzhöftern suchte. Die erzählten ihm von einem systemischen Planungsansatz, der sich Permakultur nennt. Für Volker Kranz war das der Start in die Permakultur und der Grund, warum er 1995 Münster verließ.

Ausbildung bei Declan Kennedy

Schon nach diesem ersten Kontakt mit dem Verein zog es ihn an den Wochenenden immer wieder nach Prinzhöfte bei Bremen. Bald folgte im nahegelegenen Steyerberg eine Ausbildung zum Permakultur-Designer bei Professor Declan Kennedy, einem irischen Architekten, der die Permakultur nach Europa brachte. Kranz zog nach Prinzhöfte und blieb 15 Jahre, lebte dort zusammen mit seiner damaligen Partnerin und der gemeinsamen Tochter, mit Hühnern, Kaninchen und Skudden-Schafen und begeisterte sich immer mehr für das, was mit Permakultur möglich ist.

Komplexe Systeme verstehen und Stellschrauben finden

„Ich habe gesehen, dass man mit diesem Ansatz wahnsinnig viel gestalten kann, nicht nur ökologische Zusammenhänge, sondern auch wirtschaftliche und soziale. Das ist weit mehr als eine Ökotechnik. Es geht eher in Richtung erkenntnistheoretische Sichtweise, also darum zu sehen, wie komplexe Systeme und Prozesse funktionieren – und damit dann spielerisch umzugehen“, erklärt Volker Kranz und fährt fort: „Du muss gut beobachten können, ein breites Spektrum an Ideen haben und diese Ideen auch wieder kritisch hinterfragen. Ressourcen finden, Prozesse anschieben und die Natur dann machen lassen. Letztlich geht es darum, das System zu verstehen und die Stellschrauben zu finden.“ Das Prinzip Stellschraube erklärt Kranz gerne anhand der Ereignisse aus dem Yellowstone-Nationalpark. Dort war das ökologische Gleichgewicht wegen einer zu hohen Hirsch-Population stark aus den Fugen geraten. Allein durch die Ansiedelung von Wölfen im Jahr 1995 stellte sich das Gleichgewicht nach und nach wieder ein. „Da hat man nur einen kleinen Eingriff gemacht, aber das ganze System ist dadurch in Bewegung geraten und hat sich in eine völlig neue Richtung begeben. Die Stellschraube war hier die Anwesenheit eines Raubtieres“, sagt Kranz.

Volker Kranz steht vor grünen Sträuchern und blickt in die Kamera
„Jedes System hat Stellschrauben“, sagt Volker Kranz. Diese zu finden und clever zu drehen, ist sein Job.

Die Walnusswälder in Kirgisistan

Volker Kranz liebt die Herausforderungen, die sein Job mit sich bringt. „Je komplizierter, desto besser“, findet er. Eine echt harte Nuss war ein Auftrag von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, der ihn nach Kirgisistan führte. Ein Land, in dem die Viehwirtschaft von großer Bedeutung ist. Das Problem: Die Viehhalter trieben  ihre Tiere in die Walnusswälder. Weil das Vieh die nachwachsenden Walnussbäume regelmäßig abfraß und Walnüsse zudem sehr intensiv gesammelt wurden, waren die Wälder wie leergefegt und völlig überaltert. Kranz sollte für eine Regeneration der Wälder sorgen. Seine Idee: Den Viehhalter etwas bieten, was für sie interessanter ist, als das Vieh den Wald leer fressen zu lassen. Er setzte auf die Stellschraube „ertragreiches Wildobst“ und plante die Pflanzung von Gehölzen, deren Früchte in Kirgisistan als Delikatesse gelten. Gepflanzt wurde dort, wo Lichtungen in den Wäldern waren. Danach wurden die neu bepflanzten Areale eingezäunt. Im Schutz dieser Wildobstpflanzungen konnten auch junge Walnussbäume unbeschadet heranwachsen.

Schwammbeete auf Ibiza

Neben solchen großen Projekten übernimmt Volker Kranz auch kleiner dimensionierte wie das von zwei Frauen, die auf Ibiza Land gekauft hatten und es bewirtschaften wollten, ohne jedoch viel Ahnung zu haben. Es gab fast kein Grundwasser und Regen nur im Winter. „Wenn du in solchen Gegenden was machen willst, brauchst du erstmal Bäume, damit du nicht mehr so starke Verdunstung und Winde hast. Die Stellschraube war hier die Anlage von Schwammbeeten, bei denen organisches Material in Gräben oder Kuhlen angehäuft wird. Dieses Material saugt sich bei Regen wie ein Schwamm voll und versorgt die umliegenden Pflanzen in Trockenzeiten mit Wasser“, erzählt Kranz. Diese Beete schafften die Voraussetzung dafür, dass Bäume dort überhaupt wachsen konnten.

Schnapsbrenner im Süden

Frits Deemter kommt vorbei und fragt in seinem charmanten holländischen Akzent, ob noch Getränke gewünscht werden. Kranz überlegt nicht lange, bestellt eine Limonade aus den Früchten des Essigbaums, die Frits am Tag zuvor hergestellt hat und ist sofort wieder im Erzählen. Über einen 30 Hektar großen Hof in Süddeutschland, der noch alte Brennrechte hatte und nun landwirtschaftliche Flächen mit naturnaher Gestaltung und Wildobstanbau für die Produktion von Schnaps, Likör und Wein kombinieren wollte.

Permakultur im Hotelbetrieb

Auch ein Hotel-Projekt im Bremer Umkreis hat den umtriebigen Gartenbauer sehr begeistert. Er erzählt, dass sowohl das Hotelgelände als auch zusätzliche Flächen für die Hotelküche als Permakultur-System gestaltet werden sollten. Geplant war vor allem der Anbau von Spezialitäten, die im Handel sonst nicht erhältlich sind. Taglilien etwa oder Szechuanpfeffer, Maulbeeren, Fette Henne, Ölweiden und Berberitzen – Pflanzenarten, die auch im Essgarten reichlich vertreten sind. Wenn Volker Kranz ins Schwärmen kommt, unterstreichen seine sonnengegerbten, großen Hände jedes Wort. Man sieht ihnen an, dass sie schon auf vielen Baustellen aktiv waren. Da kann auch der fingerdickbreite Ring an seiner rechten Hand nicht drüber hinwegtäuschen.

Volker Kranz sitzt vor großen grünen Gräsern und schaut nachdenklich nach oben.
„Ich finde es spannend, wenn jeder Auftrag was ganz Neues mit sich bringt und man sich richtig was überlegen muss“, sagt Volker Kranz.

Eine Frage des Designs

Etwas treibt Volker Kranz immer wieder um: die Sache mit der Schönheit. „In vielen Köpfen steckt der Gedanke drin, dass ökologisch angelegte Gärten automatisch hässlich sind. Ich finde, dass Naturgärtner viel zu wenig an Gestaltung ran gehen“, sagt er und ergänzt: „Dabei ist es den Wildbienen piepegal, ob sie in einen Totholzhaufen ihre Löcher bohren oder in eine tolle Holzskulptur. Genauso wenig interessiert es sie, ob die Blumen nach Farben geordnet sind oder wild durcheinander. Man kann so gut mit Formen und Farben gestalten, mit Enge und Weite und Höhe und Tiefe.“ Momentan lebt Volker Kranz mitten in Bremen. Seinem privaten Gestaltungswillen sind dort recht enge Grenzen gesteckt. Er hat einen Schrebergarten und einen kleinen Garten am Haus. Alt werden will er dort nicht. „Wenn irgendwann die intensive Firmenphase vorbei ist, dann gehe ich super gerne wieder aufs Land. Denn das fehlt mir schon sehr“, sagt er, nimmt den letzten Schluck von seiner Limonade und schaut sich um im Essgarten, der vor knapp dreißig Jahren als ein schöner Gedanke begann.

 

*Hinweis: Dieses Porträt entstand vorwiegend aus Material vom Mai 2019. In der Zwischenzeit gab es im Essgarten einen Besitzerwechsel. Der ehemalige Gründer Frits Deemter hat im Jahr 2021 das Gelände verkauft, um auf Mallorca ein neues Projekt an den Start zu bringen. Der Essgarten wird seitdem weitergeführt von Malou und Nils Furch und Angelika Stelter. Auch heute noch gibt Volker Kranz hier seine Seminare. Volker Kranz und Frits Deemter haben 2021 ein Buch über Waldgärten herausgebracht: „Praxisbuch Waldgarten – Natürlicher Anbau mit Permakultur“. Auch bei baumrausch hat sich eine Menge getan. U.a. gibt es einen Entwurf für einen Waldgarten auf einem Hochhausdach in Hamburg und zwei fertiggestellte urbane Waldgärten mit mehr als drei Hektar Fläche in Berlin und Kassel. Diese Waldgärten gehören zu einem Pilotprojekt unter der Federführung der Uni Potsdam, die über Waldgärten im städtischen Kontext forscht.

 

Und hier könnt ihr einen Streifzug durch den Waldgarten machen und ein Porträt über Frits (Frederik) Deemter lesen.

Und hier geht’s zu baumrausch.

One thought on “Volker Kranz: Permakultur-Designer und Waldgarten-Planer

  1. Toller, sehr informativer und lesenswerter Artikel! Das mit den Schwammbeeten muss ich unbedingt auch mal ausprobieren. Zwar ist diese Sommer nass aber in Zukunft haben wir ja wohl eher trockene und heiße Sommer zu erwarten. Und die neu gepflanzten Bäume in meinem Garten mussten letztes Jahr ganz schön kämpfen.

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