Bahrenfelder Luthergarten (BaLuGa) in Hamburg
14000 Quadratmeter Möglichkeiten! Vor etwa vier Jahren hat die Evangelische Luthergemeinde in Hamburg-Bahrenfeld den Bahrenfelder Luthergarten ins Leben gerufen. Das ehemals verwilderte Grundstück beherbergt nun Gemüsegärten, Orte der Stille und der Gemeinschaft und einen archaisch anmutenden Altar. Aber auch die Wildnis gehört zum Konzept.
Von Adam und Eva keine Spur. Trotzdem kann der Gedanke an die Schöpfungsgeschichte und den Garten Eden aufkommen, wenn man mit Pastor Begas durch‘s Gelände streift. Noch vor vier Jahren war es hier wüst und leer. Lange aufgegebene Schrebergartenhäuschen rotteten vor sich hin, die Wildnis brach sich Bahn. Eigentlich war das Grundstück, das dem Kirchengemeindeverband Altona gehört, als Friedhofserweiterungsgelände gedacht, doch zu dieser Erweiterung kam es nie.
Die einen sagen „Oh je!“, die anderen „Oh ja!“
Bei einem Spaziergang durch den Stadtteil wurde Björn Begas auf das zugewachsene Areal aufmerksam, und die Idee entstand: „Hier kann man was machen, was aufbauen, leben!“ Zusammen mit der Gemeinde und weiteren freiwilligen Helfern, entmüllte er die 14000 überwucherten Quadratmeter und begann zu gestalten. „Das ist ganz interessant, wenn Menschen das erste Mal hier in den Luthergarten kommen. Das ist wie eine Charakterstudie: Die einen schlagen die Hände über dem Kopf zusammen und sehen nur Arbeit, die anderen sind hellauf begeistert und sehen überall Möglichkeiten“, erzählt er.
Ein Bauwagen als Ort der Stille
Inzwischen sind aus vielen Möglichkeiten Realitäten geworden. Es gibt Hochbeete, einen Gemüsegarten, einen Permakulturgarten, einen Grillplatz, Schaukeln, einen Bauwagen mit Pippi-Langstrumpf-Veranda, Hühner, eine Imkerei, etliche lauschige Eckchen mit Sitzgelegenheiten, einen ungewöhnlichen Altar, eine Grube, in der irgendwann ein essbarer Bibelgarten entsteht und einen Ort der Stille: einen ausgebauten Bauwagen mit einem riesigen Fenster, das die Ruhe im Inneren mit dem Grün im Äußeren verbindet. „Weite und Weitblick“, sagt Begas, „und trotzdem ein Rückzugsort. Dieser Platz ist ein sehr spiritueller Ort, eine Art Pionierort, der von Anfang an da war.“
Organisation im Luthergarten
Von Anfang an da war auch der Gedanke, im Bahrenfelder Luthergarten einen Ort zu haben, an dem alles stimmt. Ein Paradies eben. „Der Garten ist sehr aufgeladen mit dem Wunsch nach dem idealen Ort. Aber immer wenn sich zeigt, dass dies doch kein Paradies ist, ist die Enttäuschung groß. Der Kern hier ist das Miteinander und wir haben recht bald einen Crashkurs in Sachen Demokratie machen müssen“, erzählt Begas. Wer bestimmt hier was? Wer ist der Obermacker? Diese und ähnliche Fragen wurden geklärt und schlussendlich wurde der „Rat der 7“ ins Leben gerufen. Ein Gremium, in dem die Zuständigkeitsbereiche im Luthergarten klar verteilt sind. Begas selber hat keinen festgelegten Posten im Garten. Er sei einfach nur der Pastor, ein Ansprechpartner und der „Garant, dass das ganze Projekt in der Kirchengemeinde geerdet ist.“
Gemüse im Gebirge
Direkt nebeneinander liegen am südlichen Ende des Grundstücks zwei Gemüsegärten: ein herkömmlicher Biogarten und ein Permakulturgarten. Der „normale“ Biogarten bietet auf extrem unebenem Gelände, das an eine Gebirgs- und Kraterlandschaft im Miniaturformat erinnert, gute Möglichkeiten, den einzelnen Sorten den jeweils besten Standort zu geben. Kürbisse und Gurken wachsen hier auf höheren Ebenen, Kartoffeln weiter unten und Tomaten und Bohnen mit Gerüsten befestigt an den Hängen. Mittendrin zwischen den Kulturen und den reichlich vorhandenen Unkräutern stehen Bienenkisten. Sie gehören zur Imkerei und Bienenschule „Wabenwissen“, die auf dem Gelände eine Dependance hat.
Permakultur im Bahrenfelder Luthergarten
Neben dieser topografisch reizvollen Gemüselandschaft befindet sich der Permakulturgarten. Ein abgetrennter Bereich, in dem unzählige Kulturen in geschwungenen der Bodenoberfläche angepassten Linien wachsen. Ein Feuerwerk an Farbe und Formen, zudem recht dicht bepflanzt. In der Mitte dieses Gartens steht ein Gewächshaus für empfindliche Tomaten, Auberginen und Chilipflanzen.
Was Gott und die Wildnis verbindet
Ein weiteres Highlight, das sich erst auf den zweiten Blick als Besonderheit entpuppt, sind die wilden Ecken. „Für viele ist es sehr wichtig, dass wir einen Teil der Fläche einfach Wildnis sein lassen, die wir nicht in Beschlag nehmen, wo wir eben nicht die erste Geige spielen. Das hat sehr viel mit dem Bedürfnis zu tun, sich zurückzunehmen und nicht alles in der Hand zu haben“, meint Begas. Zwei unterschiedliche Gefühle sieht er mit diesen naturbelassenen Arealen verbunden: eine gewisse Unheimlichkeit und ein Gefühl von Anziehung. Genauso sei das mit Gott. „Tremendum et Fascinosum“, nennt er das nach dem evangelischen Theologen Rudolf Otto (1869-1937), der das Heilige als eine Seite des Göttlichen sowohl als erschreckend als auch als faszinierend beschrieb.
Die Ureinwohner des Luthergartens
Eine besondere Faszination übte die Wildnis wohl auch auf die beiden Ureinwohner des Gartens aus, die Begas bald nach der Übernahme des Geländes vor vier Jahren entdeckte. Zwei Jungs, etwa zehn oder elf Jahre alt, die das brach liegende Gelände als ihr Land der Abenteuer nutzten. „Die beiden haben uns eine Weile begleitet, sind dann aber weggezogen“, erinnert sich Begas.
Der Bahrenfelder Luthergarten ist offen für alle
Zwischen der Wildnis und dem Eingangsbereich des Gartens liegt ein Platz für Open-Air-Gottesdienste. Sogar ein Altar ist vorhanden. Ein riesiger, flacher Stein, der einst als Brücke über einen Graben diente. „Ein tolles Symbol“, findet Begas, der hier mehrmals im Jahr Gottesdienste veranstaltet, mal nur mit seiner eigenen Gemeinde und mal mit Nachbargemeinden. Der Kontakt zu anderen Gemeinden und auch zu Menschen, die im Stadtteil wohnen, aber nichts mit Kirche am Hut haben, ist Begas sehr wichtig. „Wir haben diesen Ort hier anvertraut bekommen, um ihn zu nutzen und zu genießen, aber natürlich auch, um ihn zu teilen. Wir haben hier vieles, was in den aktuellen Nachbarschafts- und Städtewandelkonzepten gefragt ist: Menschen mit Spaß an Gemeinschaft, jede Menge Platz zum gemeinsamen Leben, Feiern und Helfen und dazu die ziemlich ertragreichen Gemüsegärten“, erzählt Begas. Sein großer Wunsch ist es, dass der Garten bekannter wird und dass noch mehr Menschen von dem Projekt profitieren können.
Gerste und Hopfen im Luthergarten
Im vergangenen Jahr hatte Begas im Luthergarten ein ganz eigenes Projekt laufen: den Anbau von Gerste. Mit ihr wollte er sein eigenes Bier brauen, ein Hobby, das der Pastor schon seit zwanzig Jahren pflegt. Hingehauen hat der Anbau nicht, die hundert Quadratmeter sind der Dürre zum Opfer gefallen. Für Begas aber kein Drama. Er wird es wieder probieren, dann allerdings auf einer deutlich kleineren Fläche. Eine weitere Zutat für sein Bier wächst im Bahrenfelder Luthergarten an allen Ecken und Enden: Hopfen. Getestet hat Begas diesen Wildwuchs schon lange: „Ist ganz okay, aber ich möchte hier demnächst mal mit einer ganz speziellen Sorte experimentieren. Mit dem Tettnanger Hopfen“, sagt er und schaut ganz zufrieden in seine 14000 Quadratmeter Möglichkeiten.
Auch interessant: Ein weiterer toller Gemeinschaftsgarten befindet sich im mecklenburgischen Dörfchen Groß Rünz: „Eschenhof – Gemeinsam Gärtnern“ .
One thought on “Bahrenfelder Luthergarten (BaLuGa) in Hamburg”
Ein wirklich tolles Projekt. Man kann allen Beteiligten nur viele große und kleine Erfolge wünschen und mögen sie nie den Mut und die Kraft verlieren, diese schöne Sache weiter auszubauen. Es kann gar nicht genug Flecken wie diesen in Großstädten geben.
Macht weiter so!!!