Eschenhof – Gemeinsam Gärtnern e.V. in Groß Rünz
Gemüseacker und Obstplantage, drei Folientunnel und ein Permakultur-Waldgarten: Im mecklenburgischen Dörfchen Groß Rünz betreibt der Verein „Eschenhof – Gemeinsam Gärtnern“ einen Bio-Gemeinschaftsgarten. Auf dem 3,8 Hektar großen Gelände wird nicht nur Essen produziert, sondern auch Wissen vermittelt, Gemeinschaft gelebt und ein Erbsomat bedient.
Die Chinesische Keule ist ein komischer Salat. Die jungen Blätter sind zwar essbar, aber eigentlich geht es um die dicke Sprossachse, die beim Schießen des Gemüses entsteht. Kurz vor der Blüte wird die Pflanze geerntet und dann wie Spargel gegessen. Ein Experiment, das Marie Runge in diesem Jahr zum ersten Mal macht. Neben solchem Avantgarde-Gemüse wachsen auf dem Acker vom Eschenhof e.V. aber hauptsächlich Klassiker wie Zucchini, Möhren und ganz normale Stangenbohnen.
Marie ist gelernte Biogärtnerin, Ideengeberin und Mitgründerin des Gemeinschaftsgartens, der in dem idyllischen Dörfchen Groß Rünz zwischen Lübeck und Schwerin liegt. Halbtags arbeitet sie auf dem Acker, im Gewächshaus, als Anleiterin in Sachen Gemüsebau und Organisatorin der Bepflanzung und Feldpflege. Außerdem leitet sie Workshops wie die „Saatgutwerkstatt“.
Bis 2013 wirtschaftete auf dem Eschenhof ein Demeter-Betrieb. Als der seine Pforten schloss, zog Nicole Bowe (Titelbild) mit ihrer Familie aus dem Nachbarort in das Bauernhaus des Hofes. „Die Idee, irgendwie auf dem Gelände zu gärtnern, war damals noch sehr unkonkret“, erinnert sich die heutige Vereinsvorsitzende. Eigentlich ist Nicole Grafikdesignerin. Doch durch die Geburt ihres ersten Kindes vor 16 Jahren kam sie auf die Gemüsegartenspur. „Man will ja dann alles richtig machen, mit bio und Gemüse und gutem Leben und so“, erzählt sie. Sie und ihr Mann fingen an, Gartenbücher zu lesen, im Netz zu recherchieren, vieles im eigenen Garten auszuprobieren und Tipps von ihrem ehemaligen Nachbarn Josef umzusetzen, der einen riesigen Gemüsegarten beackerte. So hatte sie schon zehn Jahre Gartenerfahrung, als sie auf den Eschenhof zog.
Marie verteilte im Februar 2014 einfache Handzettel, auf denen nicht viel mehr stand als die Frage „Wer will mit uns gärtnern?“. Ganz schnell fanden 15 bis 20 motivierte Leute zusammen, die im ersten Jahr als lose Interessengemeinschaft das Gelände aufräumten und urbar machten. Jeder mit seinem eigenen Spaten, denn Geräte waren noch nicht vorhanden. „So ist hier langsam eine Gemeinschaft entstanden, mit gemeinsamer Arbeit, mit Kuchenessen und Quatschen“, sagt Nicole. 2015 haben die Gärtner vom Eschenhof dem Projekt mit der Vereinsgründung eine rechtliche Form gegeben.
Im Laufe der Zeit ist die Gemeinschaft auf aktuell 54 Familien angewachsen. An einen Mitgärtner der ersten Stunde kann sich Nicole noch gut erinnern: „Ein Mann, der mit viel Begeisterung und null Ahnung ankam, hat unwissentlich beim Jäten die gesamte gerade mal fünf Zentimeter hohe Rote Bete rausgezupft. Ihm war das so peinlich, dass er die Feldarbeit dann lieber seiner Frau überlassen hat. Dabei war das gar nicht schlimm. Wir haben einfach neu gesät und etwas später geerntet. Solche Fehler passieren nunmal und das darf bei uns auch so sein.“
Das Projekt finanziert sich sowohl durch die Beiträge der Mitglieder als auch durch Zuschüsse der EU. So ist es möglich, unter anderem die Pacht für das 3,8 Hektar große Vereinsgelände aufzubringen und die nötigen Anschaffungen zu tätigen. Über eine Errungenschaft freuen sich die Freizeitgärtner besonders: ein kleiner roter Trecker, der die Arbeit so viel leichter macht. Die Beete auf dem etwa 200 x 150 Meter großen Gemüsefeld sind perfekt auf die Spurbreite des Treckers abgestimmt.
Etwa 40 Gemüsearten wachsen auf dem Feld. Um dorthin zu gelangen, muss man die Obstplantage durchqueren, vorbeigehen an Apfel-, Birn-, Pflaumen-, Kirschen-, Quitten-, Mirabellen- und Pfirsichbäumen und diversen Strauchobstarten. Damit kein Gemüse vernachlässigt wird, gibt es Gemüsepatenschaften. Jeder Mitgärtner ist verantwortlich für die Pflege eines Gemüses und kümmert sich darüber hinaus auch um alles andere. Was genau das ist – etwa Bohnen ernten, säen oder Unkraut jäten – schreibt Marie tagesaktuell an eine Tafel, die neben dem Eingang zum Vereinsraum steht. Jeder Mitgärtner zahlt nicht nur den jährlichen Vereinsbeitrag, sondern er arbeitet auch mindestens zehn Stunden pro Monat mit. Damit der Überblick über die abgeleistete Zeit nicht verloren geht, werden die Stunden gezählt. Jedes Jahr auf eine andere Weise, in diesem Jahr mit dem Erbsomaten.
Das Gemeinschaftliche spielt auf dem Eschenhof eine große Rolle. In den Zeiten vor Corona war mittwochs der zentrale Aktionstag, an dem zusammen gearbeitet, gekocht und gegessen wurde. Jetzt wird täglich gegärtnert, so dass es nie voll wird auf dem Hof und die Abstandsregelungen eingehalten werden können.
Drei Folientunnel mit einer Gesamtfläche von 600 Quadratmetern beherbergen etliche Tomatensorten und Gurken, aber auch Feigen, Wein, Physalis und jede Menge Basilikum. Außerdem wird hier das Gemüse vorgezogen. In einem der Gewächshäuser steht ein Beton-Ungetüm, das in alten Zeiten, noch bevor der Demeter-Betrieb hier wirtschaftete, als Schweinetrog diente. Heute wird es als Lager für das Wintergemüse genutzt, aus dem sich die Gärtner einmal im Monat bedienen dürfen.
Der Platz neben der Obstplantage war immer ein schwieriges Plätzchen. Kein Gemüse wollte dort gelingen. Seit vergangenem Jahr wird das Areal umgebaut: Ein Waldgarten entsteht. Seinen Anfang nahm das Projekt, das der Biologe und Permakultur-Designer Jan Schwerdtfeger anleitet, im vergangenen Herbst. Zusammen mit 13 Waldgarten-Camp-Teilnehmern legte er die ersten Beete an, weitere sind in Vorbereitung. Die Idee hinter solchen Pflanzungen: ein System zu etablieren, das einem natürlichen Wald nachempfunden, aber essbar ist.
Hier wachsen nun in scheinbar wildem Durcheinander – dick mit Stroh, Schafwolle und Kompost gemulcht – Obstbäume und -sträucher, Salate, Meerrettich, Dill, Malven, Gundermann, Schafgarbe, Buchweizen und reichlich Beinwell, eine in Permakulturkreisen sehr beliebte Pflanze. Denn Beinwell ist ein Insektenmagnet, liefert massig Mulchmaterial, ist Heilkraut und Augenweide und kann zudem mit seinem dichten Wurzelwerk die Quecke am Durchmarsch hindern – ein Multitalent eben. Im Folientunnel steht deshalb schon quadratmeterweise junger Beinwell in kleinen Pflanztöpfchen auf den Tischen bereit. Er soll demnächst rund um die Waldgartenbeete für Ordnung in der Wildnis sorgen.
Noch mehr Bilder vom Eschenhof gibt’s hier:
Weitere Infos über den Gemeinschaftsgarten inklusive aller anstehenden Termine findet ihr auf der Website des Vereins: Eschenhof – Gemeinsam Gärtnern e.V.
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One thought on “Eschenhof – Gemeinsam Gärtnern e.V. in Groß Rünz”
Ich finde Euch einfach nur super!