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„Die ‚Unkräuter‘ in meinem Garten“ von Wolf-Dieter Storl

Was der Gundermann mit der Mittsommerfeier zu tun hat und warum es Nonnen und Priestern unter Strafandrohung verboten war, die Früchtchen der Brennnessel zu naschen, verrät der Autor und Selbstversorger Wolf-Dieter Storl in seinem neuen Buch „Die ‚Unkräuter‘ in meinem Garten“. Die Geschichte der Unkräuter steht dabei genauso im Blickfeld der Betrachtung wie die Frage nach der Nutzbarkeit.

Um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Buch ist kein Plädoyer dafür, jedes Kraut zu jeder Zeit an jedem Ort wachsen zu lassen, denn „wenn man auf das Jäten verzichtet, kann man das Gärtnern vergessen“. Da ist sich der Kulturanthropologe und Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl sicher. Wenn Unkräuter sich im Gemüsebeet so stark ausbreiten, dass sie die Erträge bedrohen, muss Hand angelegt werden. Ansonsten könne man die Pflanzen einfach wachsen lassen. Viele von ihnen sind nicht nur schön, sondern sie bringen auch großen Nutzen – für Tiere, für die Bodenabdeckung, zum Nährstofftransport aus tieferen Bodenschichten, als Heilmittel und als Nahrungsmittel. Auf 240 Seiten mit insgesamt etwa 300 Fotos präsentiert der Selbstversorger 21 „Pflanzenpersönlichkeiten“.

Das Unkraut im Wandel der Zeit

In der gut 30-seitigen Einleitung unternimmt Wolf-Dieter Storl einen tiefgründigen Trip durch die große Welt der kleinen Kräuter. Er berichtet über Zeiten, in denen es keine Unkräuter gab, weil alle Pflanzen einfach Wildpflanzen waren. Man nutzte sie als Heilkräuter, Faserpflanzen, Räucherpflanzen und als Nahrungsmittel. Erst der Prophet Zarathustra, der lange vor Christus lebte, brachte eine neue Denkweise in die Welt. Er teilte alles Existierende in zwei gegensätzliche Kategorien ein: in das Gute und das Böse. Fortan gab es gute und böse Menschen, Tiere und Pflanzen. Zu den bösen Pflanzen gehörten Disteln, Dornensträucher und Nesseln – ein Gedanke, der sich später auch in der Bibel wiederfindet. Weiter erzählt Storl unter anderem über die Entwicklung von Unkräutern zu Kulturpflanzen und über zunehmend herbizidresistente Superunkräuter.

21 Pflanzenpersönlichkeiten im Porträt

Vom Ackerhellerkraut bis zum Wegerich stellt der Autor im Anschluss an seinen kulturhistorischen Unkraut-Streifzug 21 Unkräuter im Detail vor. Mit dabei sind bekannte wie Brennnessel, Giersch und Löwenzahn, aber auch Unkräuter wie das Ackerhellerkraut, die Distel, das Franzosenkraut, das Gewöhnliche Greiskraut, der Gundermann und der Wegerich sind mit von der Partie.

Zu jedem Kraut erzählt Storl Geschichten – über die Herkunft des Namens und die geschichtliche Bedeutung der Pflanze genauso wie über die Möglichkeiten der Verwendung als Heilpflanze oder als Nahrungsmittel. So erfährt der Leser beispielsweise, dass das Ackerhellerkraut durch die Ähnlichkeit mit einer alten Münze, dem Heller, zu seinem Namen kam. Oder dass der gut verwurzelte Gundermann beim Sprung über das Johannisfeuer an Mittsommer dafür sorgen sollte, dass die Seelen der Feiernden mit der Erde verbunden blieben. Oder dass die Brennnessel im Mittelalter als das bevorzugte Kraut der Hexen galt und dass es Nonnen und Priestern unter Strafandrohung verboten wurde, die Früchtchen der Brennnessel zu naschen, weil sie „Lust zur Unkeuschheit“ wecken würden. Außerdem beantwortet Storl zu jedem Kraut die Frage, wie man es loswerden kann und welche Pflanzenteile verwendbar sind. Dafür liefert er gleich auch ein paar Rezepte: eingelegte Distelknospen, Salbe aus Leinkraut, Klettenlabkraut-Deo, Löwenzahngelee oder Vogelmierensuppe.

Kurze Exkurse zu „Berufkräutern“, die als Schutz vor Verhexungen dienten, und zu den sogenannten Schabab-Pflanzen, mit denen junge Frauen unerwünschten Verehrern einen Korb gaben, runden die Porträts ab.

Spannend, erhellend und fotografisch gut in Szene gesetzt

Jedes Pflanzenporträt beginnt mit einem seitengroßen, künstlerisch angehauchten Foto, das die Schönheit und das Besondere des jeweiligen Unkrauts zur Geltung bringt. Die weiteren Bilder sind ebenfalls gut geraten und zeigen nicht nur die Pflanzen in verschiedenen Wachstumsphasen (sehr hilfreich beim Identifizieren!), sondern auch in ihrer natürlichen Umgebung und im Detail.

Nicht nur was die Verwendungsmöglichkeiten, Inhaltsstoffe und Bekämpfungsmaßnahmen betrifft, sondern auch wie die Unkräuter in der Geschichte gesehen und genutzt wurden, spielt in diesem ausgesprochen informativen Buch eine Rolle. Mythologie, Volksheilkunde, die Signaturenlehre, Hildegard von Bingen, Sebastian Kneipp und Paracelsus: so viel Geschichte! Und man muss sich gar nicht langweilen! Im Gegenteil. Spannend und erhellend und angenehm zu lesen, führt das Buch den Leser durch das erstaunlich weite Feld der Unkräuter.

Fazit

Wolf-Dieter Storl bietet dem Leser in seinem neuen Buch „Die ‚Unkräuter‘ in meinem Garten“ eine ungewohnte Perspektive: Hier kommen die kleinen, oft als lästig empfundenen Pflänzchen mal ganz groß raus – in ihrer kulturellen, ökologischen, kulinarischen und medizinischen Bedeutung. Wer dieses spannende und Augen öffnende Buch gelesen hat, wird das wilde Grün zukünftig ein gutes Stückchen mehr schätzen.

„Die ‚Unkräuter‘ in meinem Garten – 21 Pflanzenpersönlichkeiten erkennen & nutzen“ von Wolf-Dieter Storl, erschienen im Februar 2018 im Gräfe & Unzer Verlag,

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